Der Gesteinsabbau, der Kommunismus und die Verfassung

Steinbruch Deuerlein Wand

von Martin Leipert

In der Sitzung am 12. Juni 2025 habe ich die bayerische Verfassung zitiert. Genauer gesagt, den Grundsatz, dass auch das Privateigentum dem Gemeinwohl zu dienen hat. Kämmerer und mehrere Stadträte der Gegenseite haben mir doch allen ernstes „Kommunismus“ und „Sozialismus“ vorgeworfen. Ebenso wurde von unserem Kämmerer argumentiert, ich könne doch auch nicht über sein privates Wohngrundstück spazieren. Daher eine kleine Einordnung.

Eigentum, Verfassung und Gemeinwohl

Dass Eigentum nicht grenzenlos geschützt ist, sondern in unserer Verfassung dem Gemeinwohl verpflichtet bleibt, ist ein zentraler Grundsatz unseres demokratischen Rechtsstaats.
Art. 14 Grundgesetz (GG):

„(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Noch klarer formuliert es die Bayerische Verfassung:
Art. 151 BV:

„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“
„Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit.“

Diese Grundsätze sind kein sozialistisches Gedankengut, sondern Kernbestandteile unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung – mitgetragen von der Sozialdemokratie und von der damals stark an der christlichen Lehre orientierten CSU, die an der Entstehung der Bayerischen Verfassung maßgeblich beteiligt waren.

Auch die christliche Ethik kennt kein absolutes Eigentumsrecht an der Schöpfung. Im Gegenteil, sie betont die Verantwortung gegenüber Mitmenschen und Natur:

„Dem HERRN gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.“

– Psalm 24,1

„Der Acker gehört dem Herrn, und ihr seid nur Gäste bei ihm.“

– Levitikus 25,23

Die Idee, dass Besitz Verantwortung bedeutet und dem Allgemeinwohl zu dienen hat, ist damit sowohl sozialethisch als auch verfassungsrechtlich gut begründet. Weitere Beispiele und Denkschulen könnte man hier anführen, aber dann wird es hier zu lang.

Gesetzliche Rahmenbedingungen für den Gesteinsabbau

Der in der – gut besuchten – Bürgerversammlung mehrheitlich unterstützte Antrag – also keineswegs das „Anliegen einer kleinen Minderheit“ – gründet sich auf klaren gesetzlichen Vorgaben.

Bayerische Verfassung – Art. 141 BV:

„(1) Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die natürlichen Lebensgrundlagen (…) zu schützen.
(3) Die Allgemeinheit hat Zugang zu den Naturschönheiten und Erholungslandschaften (…) Die Zugänge und Wege zu diesen Schönheiten und Erholungslandschaften sind freizuhalten und notfalls durch Enteignung sicherzustellen.“

Auch das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) verpflichtet zur verantwortungsvollen Gestaltung von Abbauflächen:

LEP, Art. 5 Abs. 2 – Abbau und Folgefunktionen:

• (G) Eingriffe in Natur und Landschaft sind so gering wie möglich zu halten.
• (G) Abbaugebiete sollen – möglichst parallel zum Abbau – einer Folgefunktion zugeführt werden.
• (Z) Für Vorranggebiete sind in den Regionalplänen konkrete Folgefunktionen festzulegen.

Ergänzend geben die technischen Richtlinien für Anlagen zur Gewinnung von Kies, Sand, Steinen und Erden klare Abläufe vor:

Abschnitt 4.2.1.2 – Räumliche und zeitliche Abschnitte:

Der Abbau ist in geordneten Abschnitten durchzuführen, die in der Regel drei Jahre umfassen sollen, um eine zügige Renaturierung oder Rekultivierung zu ermöglichen.
Ein neuer Abbauabschnitt darf erst begonnen werden, wenn der vorherige Abschnitt nachweislich renaturiert oder rekultiviert wird.
Nach Ende des Abbaus sind alle Anlagen zu entfernen, sofern sie nicht für die Nachnutzung erforderlich sind.

Auch das Bundesberggesetz (BBergG) stellt den Bezug zum Gemeinwohl her:

§ 1 BBergG – Zweck des Gesetzes:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, die Gewinnung und Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen unter Berücksichtigung der Belange des Gemeinwohls zu ermöglichen.“

Auch wenn Kalksteinbrüche selbst nicht unter das Bundesberggesetz fallen, da sie zur Gewinnung grundeigener Bodenschätze dienen.

Der Landesentwicklungsplan erwähnt jedoch unter LEP § 5 Abs 2

5.2.1 Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für Bodenschätze
(Z) In den Regionalplänen sind Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die Gewinnung von
Steinen und Erden für den regionalen und überregionalen Bedarf festzulegen.

Der Antrag aus der Bürgerversammlung ist jedenfalls gesetzlich gedeckt, hat mit der Verfassung sogar stärkere Argumente auf seiner Seite als der Gesteinsabbau. Merkwürdigerweise tun gerade die Freien Wähler diesen als ungerechtfertigt ab.

Kann ich nun einfach über das Wohngrundstück unseres Kämmerers spazieren?

Nein. Der private Wohnbereich unterliegt einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dieser schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich und damit insbesondere Wohnung, Garten und private Rückzugsorte.

1. Art. 13 Grundgesetz (GG) – Unverletzlichkeit der Wohnung

„Die Wohnung ist unverletzlich.“
Eingriffe sind nur auf gesetzlicher Grundlage und unter engen Voraussetzungen erlaubt (z. B. zur Strafverfolgung).

Dieser Schutz umfasst nicht nur den Innenraum, sondern auch den unmittelbar angrenzenden, eingefriedeten privaten Außenbereich – etwa Hof oder Garten.

2. Art. 106 Bayerische Verfassung (BV)

„Die Wohnung ist unverletzlich. Das Betreten und Durchsuchen ist nur in gesetzlich bestimmten Fällen zulässig.“

Auch nach Landesverfassungsrecht gilt: Wohnraum und Wohnumfeld sind durch das Recht auf Privatsphäre besonders geschützt. Ein öffentlicher Durchgang oder Erholungsanspruch lässt sich daraus nicht ableiten.

Und was ist mit gewerblich genutzten Flächen?

Auch Betriebe können ihr Gelände aus berechtigten Interessen sichern. Zum Beispiel zur Verhinderung von Diebstahl oder Sabotage. Daher dürfen etwa Solarparks, Industrie- oder Abbauflächen eingefriedet werden.

Solche Einfriedungen sind nicht unbegrenzt zulässig. Sie müssen – gerade im Außenbereich – rechtlich abgewogen werden gegen andere Belange:

  • Zugangsrechte der Allgemeinheit (z. B. Art. 141 BV)
  • Vorgaben zur Rekultivierung und Folgenutzung
  • Landschaftsschutz und Planungshoheit der Kommune

Daher ist die Einfriedung von Solarparks durchaus zulässig. Das Versperren von Wegen, die zwischen Abschnitten eines Solarparks durchführen, jedoch nicht.

Auch der Vergleich mit einem Wohnhausgrundstück greift rechtlich nicht. Denn während dort der höchstpersönliche Lebensbereich schützt, sind bei einem Steinbruch im Außenbereich die Interessen der Allgemeinheit – etwa auf Zugang, Erholung und Naturgenuss – verfassungsrechtlich besonders zu berücksichtigen. Dass im Falle abgebauter und bereits rekultivierter Steinbruchbereiche besondere Schutzinteressen vorliegen, die eine Einfriedung zulassen, dürfte zweifelhaft sein.

Bemerkenswert ist dagegen, dass ausgerechnet ein Beamter, dessen Rolle die neutrale Beratung und Verwaltung ist, sich in wertender Weise politisch äußert. Zumal meine Position rechtlich abgesichert ist. Während die Debatte immer weiter eskaliert ist und Sachargumente untergegangen sind, hat der erste Bürgermeister keinerlei Bemühungen zur Moderation unternommen. Das ist leider keine einmalige Sache, sondern roter Faden seiner Amtsführung.

Ein Gedanke zu „Der Gesteinsabbau, der Kommunismus und die Verfassung

  1. Ja. Ein schwaches Bild des „Sitzungsleiters“! Kein Versuch, zu moderieren, sondern feixend beteiligt an dem höhnischen Gelächter über die Bayerische Verfassung. Und als Chef der Verwaltung hätte er den Kämmerer, der sich hier als Beamter zu Fragen politisch geäußert hat, die mit seinem Fachgebiet überhaupt nichts zu tun haben, auf jeden Fall bremsen müssen.

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